16.05. - 17.05.2025 - [CZ] Ein unbedeutender Ausflug
Seit vielen Jahren kennen meine beiden Lieblingsarbeitskollegen meinen Faible fürs Zugreisens. Sehr oft fiel bei meinen Erzählungen das Schlagwort „Tschechischer Speisewagen“. Meine Kollegen waren neugierig geworden und so schmiedeten wir schon vor vielen Jahren den Plan, einmal gemeinsam nach Praha zu fahren, nur, um im tschechischen Speisewagen die Elbe und Moldau an uns vorbeiziehen zu lassen und ein frisches Schnitzel zu genießen. Wie es immer so ist, es verging Jahr für Jahr und nichts wurde daraus. Durch die Umstellung der Zuggarnituren auf der Strecke zwischen Praha und Berlin auf ComfortJet mit neuen Bistro-Wagen wurde das Ende der tschechischen Speisewagen nach Deutschland im Laufe des Jahr 2025 eingeläutet. Jetzt wurde es aller höchste Eisenbahn und so wurde ein Termin für einen Ausflug ins Nachbarland endlich fest gemacht. Meine beiden Kollegen fragten, ob ich dann auch einen Reisebericht dazu erstelle. Darauf meine Antwort: „Nur nach Prag und zurück? Das ist zu unbedeutend!“ Anschließend schaute ich in enttäuschte Gesichter. Dies will ich hiermit wieder gut machen.
Ab Ende September 2024 tauchten die ersten ComfortJet auf der Linie nach Deutschland auf. Da die Steuer- und Bistro-Wagen noch keine Zulassung hatten, verkehrten weiterhin an einem Zugende die bekannten klassischen Speisewagen. Deren Einsatzende war, bis zur Zulassung der neuen Bistro-Wagen, für Mitte
Juni 2025 anvisiert. Wir konnten rechtzeitig einen gemeinsamen Termin für unseren Ausflug finden und so begaben wir uns zur „teambildenten Maßnahme“.
Die Strecke und Züge waren für mich nicht neu. Mein Kollege (und gleichzeitig Chef) kann aber auf Grund seiner körperlichen Beeinträchtigung nur kurze
Strecken laufen und ist darüber hinaus auf einen Rollstuhl angewiesen. So war es eine sehr interessante Erfahrung, einmal einen anderen Blickwinkel
zu bekommen und zu sehen, vor welchen Herausforderungen er manchmal steht und wie wichtig Barrierefreiheit im öffentlichen Raum ist.
16.05.2025
Bereits 11 Uhr wurden Tastatur und Maus an diesen Freitag zur Seite gelegt und wir starteten direkt von der Arbeit. Mit der Straßenbahn fuhren wir zum Chemnitzer Hauptbahnhof und von da pünktlich 11:31 Uhr mit der RB 74055 nach Dresden, wo wir 12:51 Uhr ankamen. Wir konnten entspannt den Bahnsteig wechseln, denn der EC 379 aus Kiel ließ zudem 10 Minuten länger auf sich warten. Zum Freitagmittag war der Bahnsteig ordentlich voll. Viele Gruppen, die übers Wochenende nach Prag wollten. Der Zug war fast ausreserviert, ich hatte vorsichtshalber Plätze im Wagen 257 reserviert. Näher am Speisewagen (Wagen 265) war nichts mehr frei. Statt der noch nicht zugelassenen 1. Klasse-Steuerwagen lief als Wagen 264, vor allem als Kuppelwagen zum Speisewagen, ein Bdmpz883. Da dieser nicht im Reservierungssystem integriert war, versuchten wir hier einen Platz zu bekommen. Auch bot sich das Fahrradabteil als guter Abstellplatz für den Rollstuhl an.
Bereits in Dresden wurde der Speisewagen von Reisenden gestürmt und ich ahnte nichts Gutes. Die Presse in Deutschland hatte zum Ende des Einsatzes einen regelrechten Hype erzeugt. Wir bekamen im Wagen 264, einem Bdmpz883 (CZ-ČD 73 54 20-90 014-5) drei Plätze zur Elbseite, konnten den Rollstuhl sicher verstauen und mit 10 Minuten Verspätung erfolgte 13:20 Uhr die Abfahrt in Dresden. Mit dem Grenzübertritt wechselten wir zur Happy Hour in den Speisewagen, einem WRmz815 (CZ-ČD 73 54 88-91 001-0). Man muss ja nicht mehr zahlen als nötig. Obwohl der Speisewagen voll war, bekamen wir für meine Kollegen einen Zweiertisch, ich gesellte mich direkt gegenüber zu einer Gruppe Männer. Die Atmosphäre hatte eher etwas von Biergarten statt von Restaurant. Der Kellner war nicht gut drauf und ignorierte uns eine ganze Weile. Irgendwann konnten wir dann bestellen, aber bis auf ein Hühnchenschnitzel und Pasta war alles aus. Ich nahm das letzte Schnitzel, meinen Kollegen blieben nur die Pasta. Nicht gerade das, was sie sich vorgestellt hatten. Die Pasta war aber gut, während das Schnitzel einer Schuhsohle glich. Das Hühnchenschnitzel wurde ja auch nicht frisch zubereitet. Ich zog den Männern an meinen Tisch erst einmal den Zahn, dass hier noch frisch gekocht würde. Lediglich das Schweineschnitzel und Eierspeisen wurden frisch zubereitet. Der Rest war fertig und wird nur erwärmt.
Je näher wir Praha kamen, je mehr setzte bei dem meisten im Speisewagen die Schwere des verzehrten Bier ein uns es wurde ruhiger im Wagen.
Mit 9 Minuten Verspätung erreichten wir 15:32 Uhr Praha hl.n.. Bis Dresden hatte ich mein Deutschlandticket genutzt, während meine Kollegen zusammen auf
dem Schwerbehindertenausweis mit Begleitperson unterwegs waren. Ab Dresden hatten wir dann einen Super SparPreis Europa der DB für 19,99 € pro Person.
RSL 193 986 „Salvina“ hatte den EC 379 „Berliner“ nach Praha gebracht.
Das Objekt der Begierde, der WRmz815 (CZ-ČD 73 54 88-91 001-0). Eine Wäsche wäre mal wieder nötig gewesen.
Wir hatten den Rollstuhl gerade die Treppe vom Bahnsteig zur Unterführung heruntergebracht als wir merkten, dass das Sitzkissen dafür noch im Zug in der Gepäckablage lag. Schnell bin ich die Treppe wieder hoch, der Zug stand noch, aber die Türen waren bereits gesperrt. Ein kurzer Sprint zum Lokführer und
die Situation versucht zu erklären. Er hatte es wohl nicht richtig verstanden, gab aber die Türen wieder frei und ich konnte das Kissen noch holen.
Wir kauften ein 24 h-Ticket des PID für 120 Kč (4,80€) pro Person und fuhren mit der Straßenbahn in die Nähe des Fernsehturms. Dort hatte ich drei Zimmer für
die kommende Nacht reserviert. Anschließend ging es mit der Straßenbahn in die Altstadt und wir schlenderten bzw. rollten zur Moldau und im Touristenstrom über die Karlsbrücke. Mein Kollege hatte an seinem Rollstuhl eine elektrische Antriebseinheit angebracht und musste sich nicht wirklich anstrengen. Leider ist Prag
wenig barrierefrei, so dass wir ständig den Rollstuhl irgendwo heben mussten. Dinge, die man so nicht wahrnimmt. Wir wurden aber ein gut eingespieltes Team.
Die Moldau mit der Karlsbrücke.
Da es an den bekannten Touristen-Hotspots wie nicht anders zu erwarten sehr voll war, fuhren wir mit der Straßenbahn zur Prager Burg. Da es auch bereits auf
den Abend zuging, war es dort oben angenehm leer. Zudem sorgte die tiefstehende Sonne für eine wunderbare Lichtstimmung mit den abziehenden Regenwolken.
Insgesamt war das Wetter fiel schlechter gemeldet als es tatsächlich war und bis auf diesen kurzen Schauer hatten wir totales Glück und einigen Sonnenschein.
Blick von der Prager Burg auf die Altstadt.
Zurück an der Moldau ging es noch einmal durch die Altstadt.
Zurück an der Moldau liefen wir dann noch einmal durch die Altstadt, vorbei am Altstädter Ring und dem Platz der Republik. Da die Preise von allen Restaurants mittlerweile oberes touristisches Niveau hatten, stiegen wir wieder in die Straßenbahn und fuhren in die Nähe unseres Hotels. Hier kannte ich ein Restaurant vom Besuch mit meinem Vater vor einigen Jahren, welches gutes böhmisches Essen zu normalen Preisen hatte. Wir ließen den Tag da dann gemütlich ausklingen.
17.05.2025
Nach dem Frühstück nutzte ich die Lage des Hotels als Gelegenheit, einmal dem Prager Fernsehturm einen Besuch abzustatten. An der Gestalt des 216 Meter hohen und 1992 eröffneten Turm scheiden sich die Geister. Uns dreien gefällt er. Leider war der Zugang überhaupt nicht barrierefrei. Um zum Eingang zu kommen musste man erst eine kleine Treppe hoch und anschließend wieder eine nach unten. Es gab keinen Fahrstuhl. Für uns kein Problem, im Rollstuhl bist du aber ohne Hilfe aufgeschmissen. Oben angekommen hatten wir einen wunderbaren Blick über die vor uns liegende Stadt und blieben eine ganze Weile.
Der Blick ging über den Hauptbahnhof und die Altstadt zur Prager Burg.
Im Depot Praha-Vršovice war Pepin (ČD 371 005) zu erkennen.
Anschließend fuhren wir mit der Straßenbahn zum Hauptbahnhof. Die Heimreise stand aber noch nicht auf dem Programm, vielmehr wollte ich noch einen Ausflug machen. Am Bahnsteig entdeckte ich dann Wagen, die ich da nicht erwartet hatte. Flügelradtouristik war mit einem Sonderzug aus Zwickau (Sachs) gekommen.
ČD 749 250 zog den Sonderzug aus Zwickau (Sachs) in die Abstellung.
Für uns ging es am Bahnsteig 1a weiter. Mit dem am Wochenende verkehrenden Pražský motoráček der KŽC wollten wir einen Ausflug über den Prager
Semmering nach Praha-Zličín unternehmen. Ich wollten den Kollegen etwas nostalgische tschechische Bahn bieten. Die Mitfahrt ist dabei mit einem normalen
PID-Fahrschein, wie unserem 24 h-Ticket, möglich. Zum Einsatz kam eine sogenannte Nähmaschine der Baureihe 831.
KZC 831 183 als Os 7754 nach Praha-Zličín in Praha hl.n..
Der sehr gut Deutsch sprechende junge Zugbegleiter half uns beim Verstauen des Rollstuhl und pünktlich 12:38 Uhr erfolgte die Abfahrt für die 20 Kilometer
lange Fahrt. Einer der beiden fand das so spannend, dass er direkt noch im Prager Bahnhofstunnel beschloss, erst einmal ein Nickerchen zu machen.
Wir verließen Praha hl.n..
Zugbegegnung mit ČD 810 296 in Praha-Smíchov.
Der Zug war gut besetzt. Für mich war es nach all den Jahren die ich in Tschechien schon mit dem Zug unterwegs bin, die erste Mitfahrt in einer „Nähmaschine“. Durch den verspäteten Gegenzug gerieten wir etwas nach Plan und erreichten 13:24 Uhr, mit 8 Minuten Verspätung, Praha-Zličín. Hier vertraten wir uns ein
wenig bis zur Rückfahrt die Beine und schauten uns etwas um.
KZC 831 183 wartete als Os 7755 auf die Rückfahrt nach Praha hl.n. in Praha-Zličín.
Vor dem Bahnhofsgebäude gibt es ein Verladegleis für Straßenbahnfahrzeuge.
Pünktlich 13:47 Uhr erfolgte die Abfahrt als Os 7755 zurück nach Praha hl.n., wo wir ohne Verspätung 14:30 Uhr wieder ankamen.
Praha-Smíchov war eine Großbaustelle. Die Abstellgleise sind mittlerweile verschwunden.
Zurück am Hauptbahnhof hatten wir noch 2 Stunden bis zur Rückfahrt nach Deutschland. Wir beschlossen, nichts mehr großartig zu unternehmen,
sondern es gemütlich angehen zu lassen. Daher kehrten wir in der Bahnhofhalle ins Fantova Kavárna Cafe ein und ließen uns verwöhnen.
Lecker Kuchen in Fantova Kavárna Cafe.
Kurz nach 16 Uhr wechselten wir dann zum 5. Bahnsteig. Hier wurde der EC 170 „Berliner“ nach Berlin Hbf bereitgestellt. Am Zugschluss lief mit dem WRmz815 (CZ-ČD 73 54 88-91 001-0) der gleiche Wagen wie auf der Hinfahrt. Den Rollstuhl verstauten wir wieder im Fahrradabteil des Nachbarwagens. Einen Platz im Speisewagen zu finden war kein Problem, schließlich startete der Zug hier und zum Samstag hielt sich die Auslastung sehr in Grenzen. Ich hatte durch denselben Wagen die Angst, dass der mürrische Kellner der Hinfahrt wieder an Bord ist. Wir wurden aber von einer freundlichen, motivierten jungen Dame empfangen.
RSL 193 976 „Miloš“ war für die Leistung des EC 170 nach Berlin Hbf eingeteilt.
Eine Minute nach Plan erfolgte 16:29 Uhr die Abfahrt des Zuges. Der Speisewagen war nicht einmal zu 1/4 besetzt. Wir bestellten dreimal Schweineschnitzel mit Bratkartoffeln und kurze Zeit später war das bekannte Klopfen aus der Küche zu hören. Im Speisewagen herrschte eine gemütliche, ruhige Atmosphäre.
Es dauerte nicht lange und unser Essen wurde serviert. Nachdem die Teller leer geputzt waren, bestellten wir noch Gurken- und Tomatensalat zum Nachtisch.
Wenn tschechischer Speisewagen, dann frisches Schweineschnitzel mit Bratkartoffeln.
Das trübe Wetter sorgte im Wagen mit den runden Tischleuchten für eine heimelige Stimmung.
Da nicht viel los war, blieben wir die 2:20 h bis Dresden im Speisewagen sitzen, wo wir nach 192 Kilometern 18:59 Uhr, mit 9 Minuten Verspätung, ankamen.
Hier wurde der Speisewagen dann auch deutlich voller. Bis Dresden hatten wir wieder Super SparPreise Europa der DB für 14,99 € pro Person genutzt.
WRmz815 (CZ-ČD 73 54 88-91 001-0). Immerhin schien das Wagen eine kleine Außenreinigung bekommen zu haben.
Die letzte Etappe war dann die RB 74072 zurück nach Chemnitz, welche 19:09 Uhr den Dresdner Hauptbahnhof verließ. Da ich noch spontan entschied, zu einer Familienfeier aufzutauchen, verließ ich meine Reisegruppe bereits in Oederan, wo mich meine Frau 20:09 Uhr am Bahnhof abholte.
Auch wenn die Hinfahrt im Speisewagen etwas anders verlief als erhofft, was zum Freitag zu erwarten war, machte es die Rückfahrt wieder gut und meine Kollegen konnten eine schöne Fahrt im tschechischen Speisewagen mit gutem Essen erleben. Insgesamt hatten wir viel Spaß. Dies ruft nach einer Wiederholung.